Nichts zu tun wenn jemand trauert, ist ganz sicher falsch

Schriftlich zu kondolieren ist im Freundes- und Bekanntenkreis nach Ansicht des Bundes deutscher Bestatter fast schon ein Affront. Angemessen sei vielmehr ein Besuch bei den Hinterbliebenen. Foto: dpa

Von unserer Redakteurin Ulrike KübelwirthFast jeder war schon einmal in folgender Situation: Im erweiterten Bekanntenkreis ist jemand gestorben. Eigentlich müsste man sich dorthin auf den Weg machen, klingeln und sagen, wie leid einem das tut. Doch Kondolenzbesuche sind unangenehm, führen einem die eigene Endlichkeit auf brutale Weise vor Augen und lassen uns hilflos erscheinen: Finden wir die richtigen Worte? In welcher Verfassung sind die Hinterbliebenen? Und: Wie kommen wir damit zurecht, wenn wir auf das heulende Elend treffen? Ganz schnell ist dann der Entschluss gefasst, uns vor der Konfrontation mit dem Thema Tod zu drücken und doch lieber eine Kondolenzkarte zu schreiben. Die lässt sich ja einfach in den Briefkasten stecken und gut ist es.Fastein Affront Ist es nicht. Klar fällt es den meisten schwer, Hinterbliebenen pietätvoll die aufrichtige Teilnahme zu bekunden, Teilnahme zu zeigen. Dies schriftlich zu tun ist aber nur dann okay, wenn man die Trauerfamilie nur flüchtig kennt, sagt der Bundesverband deutscher Bestatter. In allen anderen Fällen sollte man über seinen eigenen Schatten springen und sich die Mühe machen, das von Angesicht zu Angesicht zu tun – alles andere sei fast ein Affront, betonen die Profis in Sachen Tod.Berührungsängste und Angst davor zu haben, etwas Falsches zu sagen, sei ebenso in Ordnung wie zu sagen; „Ich bin zwar total hilflos, aber ich bin für Dich da.“„Nichts zu tun, wenn jemand trauert, ist aber ganz sicher falsch“, sagen die Bestatter. Deshalb sei es gut, wenn man sich im Vorfeld des Kondolenzbesuchs ein paar Gedanken darüber mache, wie die Beileidsbekundung einfühlsam ausfallen kann.     

Kondolenzbesuche führen eigene Endlichkeit vor Augen – Hinterbliebenen Hilfe anbieten, ohne sich aufzudrängen

Sich Gedankenmachen
Wichtig sei es, Worte zu finden, die Trost spenden, liebevolle Gedanken auszusprechen und vor allem den Hinterbliebenen Unterstützung anzubieten. „Dass bei einem Todesfall die Hinterbliebenen auf Sie zu kommen und sagen, ich brauche jetzt Deine Unterstützung“, könne niemand erwarten. Deshalb gehe es darum, in den schweren Zeiten des Trauerns Hilfe anzubieten, ohne sich aufzudrängen. Das könne die Übernahme kleiner Botengänge oder Besorgungen sein, aber auch einfach nur der Satz „Ich habe immer Zeit für Dich“. Zum Reden. Zum Zuhören. Zum Ablenken. Denn eines ist nach Meinung derer, die professionell mit dem Thema Tod umgehen, klar: Trauernde wollen nicht allein gelassen werden. Sie wünschen sich eine Begleitung, die ihnen tröstend, aufmunternd und zukunftsoffen zur Seite steht.

Bestatter und Seelsorger stehen dafür bereit. Auch Selbsthilfegruppen geben Anregungen, einigermaßen gut mit Trauer umzugehen. Aber oft seien Angehörige, Freunde oder Bekannte die besseren Ansprechpartner. Sie können sich dank ihrer persönlichen Beziehung besser in die Lage der Hinterbliebenen hineinversetzen und so oft bessere Trauerhilfe leisten alse die Profis. Damit trägt das persönliche Umfeld einen wichtigen Teil dazu bei, den Verlustschmerz verarbeiten zu können. Denn der Tod eines nahestehenden Menschen stellt das seitherige Leben auf den Kopf, zerreißt das bis dahin bstehende Geflecht von Rollen, Funktionen und Beziehungsstrukturen. Mit anderen Worten: Der Tod eines nahestehenden Menschen bringt das seelische Gleichgewicht von Familien, Partnerschaften und jedes einzelnen Menschen gehörig ins Wanken.

Doch was ist eigentlich Trauer und wie lange dauert sie? Unter Trauer verstehen Psychologen die psychischen Reaktionen, die nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen auftreten können. Trauer ist demnach keine Krankheit, sondern eine lebenswichtige Reaktion, die zum Leben und zum Abschiednehmen gehört.

Trauer ist aber auch bereits ein Teil der Verarbeitung des erlittenenen Verlustes. Sie wird von jedem Menschen individuell und anders erlebt. Sie verläuft in mehreren Phasen und sie braucht Zeit. Anschaulich spricht der Bundesverband der Bestatter von drei Phasen, in denen sich Trauer vollzieht. Stirbt ein geliebter Mensch, hinterlässt er bei den Hinterbliebenen in einer ersten Phase Unverständnis, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Sie sind im wahrsten Wortsinn fassungslos. Ist der Todesfall überraschend eingetreten, brauchen Angehörige meist länger, den erlittenen Verlust zu akzeptieren. In dieser Zeit der Überforderung hilft es ihnen sehr, wenn jemand da ist, der – auch alltägliche – Aufgaben abnimmt.

Einfachnur dasein
In einer zweiten Trauerphase kommen Gefühle hoch: Wut, Angst, Schmerz, Niedergeschlagenheit – sogar Freude, wenn die Familie an schöne gemeinsame Erlebnisse zurückdenkt. In dieser Zeit hilft es am meisten, wenn man die Trauernden dazu ermuntert, zu ihren Emotionen zu stehen. Dazu gehöre es auch, dass man zusammen lache und auch zusammen weine.

In Phase drei suchen Hinterbliebene oft Orte auf, die dem verstorbenen zu Lebzeiten etwas bedeutet haben. Sie setzen sich mit der Beziehung zu ihm auseinander, sprechen über gemeinsam verbrachte Zeiten oder suchen innerlich das Gespräch mit dem Verstorbenen. Gerade da sei es ganz besonders wichtig, einfach für den Trauernen da zu sein, geduldig zu bleiben und zuzuhören. Das helfe den länger Lebenden, den Tod zu akzeptieren.