Das Leben einer Bauerntochter

Zur Person

Frische Produkte aus der Region, vieles in Bioqualität, bilden einen Schwerpunkt im Sortiment der Edeka-Märkte von Birgit und Thomas Auracher. Fotos: Silja Wohl

Als Bauerntochter wird das Leben von Ulrike Siegel vom elterlichen Hof und den langen Tagen der harten Arbeit in der Landwirtschaft geprägt. Heute ist die Brackenheimerin dankbar dafür, in ihrer Jugend das Haushalten und den sparsamen Umgang mit Ressourcen gelernt zu haben.   

Autobiographische Einblicke in das Leben einer Brackenheimerin, die in den 60er Jahren auf einem Aussiedlerhof in Botenheim groß wurde

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In harter Handarbeit wurde der Aussiedlerhof der Familie Siegel in Botenheim gebaut – ganz ohne Kran.

Es wurde gespart. An Kaffeebohnen und Butter unter der Woche, das gab es nur sonntags, an Klopapier, Spülmittel, Badewasser, Strom, an Kleidung – so trug Mutter auf allen Fotos ihren handgewebten Rock. Das wenige, was gekauft wurde, musste von bleibendem Wert sein. Damit schied auch jeglicher modische Firlefanz aus. Als billige Fetzen aus der Stadt wurden unsere Lieblingsteile aus dem Witt-Weiden-Katalog, den wir hin und her geblättert hatten, dass die jeweiligen Seiten sich schon von alleine aufschlugen, barsch abgetan, und wir konnten uns nicht leisten, billig einzukaufen.

Aus „Stallschwalben“, Seite 14

Bis heute schwingen Ulrike Siegel die mahnenden Worte der Mutter im Ohr nach, die Finger von kurzlebigem Ramsch zu lassen. Und sie ist dankbar dafür. In „Stallschwalben – Autobiografische Geschichten einer Bauerntochter“ berichtet die Brackenheimerin erstmals über ihre eigene Kindheit und Jugend auf einem Aussiedlerhof in Botenheim. Insgesamt elf Bücher hat Siegel seit 2003 über das Leben und Arbeiten auf Bauerhöfen in ganz Deutschland in den 60er und 70er Jahren herausgebracht. „In einem ganz kurzen Zeitraum hat sich damals unglaublich viel verändert“, sagt Siegel. Diesen Wandel authentisch aus Sicht der Bauerntöchter festzuhalten, ist von Beginn an Siegels Intention hinter den Aufzeichnungen.

Während meiner Grundschulzeit musste ich noch nicht viel auf dem Hof mithelfen. Meiner Mutter war es lieber, wenn ich zu Hause bis zum Abend die Küche sauber gemacht und meine jüngeren Schwestern versorgt hatte. Das beinhaltete bei meinen beiden jüngeren Schwestern in der ersten Phase das Wickeln und Fläschchengeben und später, als sie größer waren, das Abholen vom Kindergarten, was durch den weiten Weg eine nachmittagfüllende Aufgabe war.

Aus „Stallschwalben“, Seite 23
  

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„Die Kartoffeln wurden in drei Körbe sortiert: kleine, beschädigte und grüne Kartoffeln in den Schweinekorb, die ganz makellosen in den Korb für die Verwandten in der Stadt. Der Rest in den Korb für uns.“ Fotos: vlntn/stock.adobe.com, Claudia Fy, privat

Mit einem herzlichen Lachen schüttelt Ulrike Siegel ihren Kopf. Die Zeit zurückdrehen? Nein, das wolle sie so wenig wie all die anderen Frauen, die vor 60 Jahren auf dem Land aufwuchsen. Als Kind habe sie es gehasst, die ausgebesserten Kleider tragen zu müssen, sich einen Urlaub wegen der Tiere im Stall nicht leisten zu können. Mit zeitlichem Abstand schlägt die 58-Jährige versöhnliche Töne an und ist dankbar und froh, das Wirtschaften mit wenig Geld gelernt zu haben. Die Erfahrungen gäben ihr eine innere Sicherheit und Freiheit: „Ich kann den Wohlstand und Überfluss, in dem ich heute lebe, jeden Tag genießen. Aber ich weiß, ich brauche ihn nicht zu meinem Glück.“ Die zweifache Mutter ist überzeugt, mit viel weniger auskommen zu können, „ohne dass das Leben schlechter wäre“.

Das Ziel des Familien-Urlaubstages waren unsere Baumwiesen in der Rauhen Klinge. […] An solchen Tagen habe ich verstanden, was meine Mutter wohl damit gemeint hat, wenn sie von dem Glück sprach, das wir doch hätten, so in freier Natur, mit großem Haus, riesigem Garten und Tieren aufzuwachsen. Der Wert einer Baumwiese zum Grillen und Faules-Ei-Spielen war tatsächlich unermesslich, wenngleich mir sonst auch ein bisschen weniger Natur ums Haus herum gereicht hätte, und auch auf die Kühe und Schweine mit ihrem verräterischen Geruch hätte ich zuweilen verzichten können.

Aus „Stallschwalben“, Seite 74

Erinnerungen wie diese sind Rückblicke auf
eine längst vergangene Zeit. Gleichzeitig lenkt die Autorin damit aber geschickt den Blick auf die Landwirtschaft heute und trägt dazu bei, dass die Arbeit der Landwirte mehr geschätzt wird. Initiativen wie Fridays for Future oder ein erstarkendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit freuen sie. „Wir haben früher sehr differenziert, für was wir unser Geld ausgeben“, sagt Siegel. Am Essen und an guten Schuhen wurde nicht gespart. Die Fassungslosigkeit darüber, wie wenig sich die Menschen für die Bedingungen interessieren, unter denen ihre Lebensmittel produziert werden, ist Siegels Stimme deutlich anzuhören: „Ich kaufe, soweit möglich, regional und saisonal ein und freue mich auf die jahreszeitlich wechselnden Köstlichkeiten der regionalen Erzeuger.“ Milva-Katharina Klöppel
   

Zur Person

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Ulrike Siegel (1961) arbeitete nach ihrem Schulabschluss zehn Jahre auf dem elterlichen Hof und erwarb zwei Meistertitel in Landwirtschaft und Ländlicher Hauswirtschaft. Nach familiären Veränderungen studierte sie Agrarwissenschaften und engagierte sich im Vorstand des Evangelischen Bauernwerks und in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika, Afrika und Indien. Regionale Termine der Lesereise und mehr unter www.ulrikesiegel.de.


       

Verlosung

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Stallschwalben von Ulrike Siegel, LV-Buch, 192 Seiten, 14 Euro

In „Stallschwalben“ beschreibt Ulrike Siegel sehr persönliche Erinnerungen an ihre Kindheit auf einem Aussiedlerhof im Landkreis Heilbronn. Reiner verlost zwei Exemplare der im Landwirtschaftsverlag erschienen Autobiografie. Einfach bis zum 6. April 2020 eine E-Mail mit dem Betreff „Bauerntochter“ an reiner@stimme.de schicken – bitte Namen und Anschrift nicht vergessen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!