Im Kampf gegen den Plastikmüll

Doch wie funktioniert das eigentlich mit dem verpackungsfreien Einkauf?

Her mit den leeren Gläsern: Im Unverpackt-Laden Liva von Patrick Wimmer und Linda Tiedemann kauft der Kunde ungewöhnlich ein. Fotos: Andreas Veigel, Helmut/stock.adobe.com  

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Nachhaltig und unverpackt einkaufen – wie und wo geht das?

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01 Angela Beyl macht vor, wie sich Kunden lose Trockenprodukte abfüllen können.

Salatgurken werden wieder nackt verkauft. Ein erster Schritt, die Unmengen an Plastik in Supermärkten zu reduzieren. Einen Schritt weiter gehen Unverpackt- Läden wie zum Beispiel das Liva in Heilbronn, in dem keine Verpackung über die Ladentheke geht, die nicht nachhaltig ist.

Etwas mehr Geduld als sonst beim Einkaufen müssen die Kunden von Liva, dem ersten Unverpackt-Laden in Heilbronn, mitbringen – und Einmachgläser. Im Unverpackt-Laden füllen die Kunden Pasta, Reis, Gewürze, Essig und Öl in Portionen, die ihnen taugen, in Gefäße, die sie dabeihaben.

Kein Verpackungsmüll, keine Plastikware, nachhaltig, so nachhaltig wie es geht. Das dauert. Erst beim Abfüllen, dann beim Wiegen. Und nicht jeder Kunde kapiert das System auf Anhieb. Aber wer in einem Unverpackt-Laden einkauft, geht ohnehin bewusster mit dem um, was vorzugsweise regionale Erzeuger aus den Zutaten der Natur kreieren. Linda Tiedemann und Patrick Wimmer treffen mit ihrer Neueröffnung am 28. September den Nerv der Zeit.



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02 Nathalie Alméras (rechts) hilft Kunden beim Abwiegen der Gläser.

Plastikfreies Konzept

Der Geschäftsname Liva leitet sich übrigens aus dem Englischen „Live aware“ ab, was so viel wie „Lebe bewusst“ heißt. Er soll vermitteln, was das junge Paar mit dem Unverpackt-Konzept verbindet – „einen bewussten und nachhaltigen Lebensstil“.

„Bei uns gibt es nicht ausschließlich Bio-Produkte“, erklärt die 26-Jährige das Sortiment. „Wir setzen auf hochwertige regionale und saisonale Lebensmittel.“ Die vor allem eines sind: unverpackt. Im herkömmlichen Supermarkt sei das kaum möglich. „Wir möchten mit unserem Laden die Hektik aus dem Einkauf nehmen“, erklärt Patrick Wimmer. Wunsch des 31-Jährigen ist es, dass die Menschen bewusster einkaufen, sich Zeit nehmen und der Weg in den Supermarkt keine Last ist. „Unser Laden soll auch ein Ort zum Verweilen sein“, so Wimmer.
   

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03 Süßigkeiten sind der Verkaufsschlager in Unverpackt-Läden.

Laden mit Mittagstisch

Das ist Nathalie Alméras und Angela Beyl bereits gelungen. Mit AnNa Unverpackt haben die Freundinnen im Juni einen Unverpackt-Laden in Besigheim eröffnet. Seither kommen Einheimische, aber auch Touristen in den Laden in der Hauptstraße 16. Täglich wird ein Mittagstisch angeboten und donnerstags ist bis 22 Uhr geöffnet. Der Name für das gemeinsame Baby war in der Konzeptionsphase, die im Sommer 2018 begann, schnell gefunden: Aus den Anfangsbuchstaben von Angela und Nathalie leitet sich AnNa ab.

Es sind vor allem Frauen, die die frühere Apotheke betreten und ihre mitgebrachten, leeren Marmeladengläser und Müslidosen abwiegen, bevor sie sie mit Getreide, Trockenobst, Reis und anderem aus den rund 90 Spendern und Schütten befüllen. „Wir wollen keine Messias sein und alle zum plastikfreien Leben bekehren“, sagt Nathalie Alméras, die gelernte Zahnarzthelferin und Mutter von vier Kindern ist. Und doch bieten die 46-Jährige und ihre sieben Jahre jüngere Partnerin Angela Beyl alles an, was man für den täglichen Bedarf benötigt. „Nur fürs Katzenfutter fahre ich noch zu Edeka“, sagt Angela Beyl, die zwei Kinder hat und früher als Floristin arbeitete.

Linda Tiedemann in Heilbronn findet die „Plastikberge in den Supermärkten“ bedrückend: „Ich kann es mit meinem Gewissen gar nicht mehr vereinbaren, manche Produkte zu kaufen.“ Deswegen versucht die Dual-Studierende „so viel wie möglich frisch zu kochen“. Die Argumente für den Einkauf in einem Unverpackt-Laden sind vielfältig und hängen auch vom Alter der Kunden ab: Während die ältere Generation in der Altersklasse von 40 bis 69 Jahren hauptsächlich Verpackungen vermeiden möchte, ist den jüngeren Konsumenten zwischen 18 und 29 Jahren ein besonderes Einkaufserlebnis sowie die individuelle Zusammenstellung von Lebensmittel- Mischungen wichtiger. Das ergab eine im vergangenen Jahr von der Splendid Research GmbH veröffentlichte Studie. So wie in den meisten der mehr als 100 deutschen Unverpackt-Läden gibt es auch bei Liva neben Lebensmitteln Non-Food-Produkte wie Zahnbürsten, Bienenwachstücher als Alternative zu Frischhaltefolie, flüssiges Shampoo zum Nachfüllen oder aber Haarseife.

Dauerbrenner

„Wir haben uns vor einigen Monaten von unseren frischen Produkten getrennt“, erklärt Ria Schäfli vom Original Unverpackt aus Berlin, einem der ersten Unverpackt-Läden in ganz Deutschland. Der Grund: Obst und Gemüse bekommen die Kunden auch problemlos plastikfrei auf dem Markt. Verkaufsschlager, so Schäfli, sind Süßigkeiten und Kosmetikprodukte. Rund 80 Quadratmeter Verkaufsfläche stehen Tiedemann und Wimmer für ihr Projekt in Heilbronn zur Verfügung. Ein halbes Jahr hat der Umbau des ehemaligen Sanitätshauses auf der Allee 73 gegenüber vom Theater gedauert. Anders als in Besigheim, wo Regale und Verkaufstheke der Apotheke übernommen werden konnten, musste in Heilbronn alles entkernt und renoviert werden. Vieles der neue Inneneinrichtung aus Massivholz Eiche hat der gelernte Zimmermeister in Eigenleistung hergestellt.

Doch wie funktioniert das eigentlich mit dem verpackungsfreien Einkauf?

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Wer einen Verpackungsfrei- Laden betritt, fühlt sich ein bisschen an die längst vergangenen Tage der Tante-Emma-Läden erinnert. Statt auf Regale mit einzelnen Produkten fällt der Blick auf Bulk Bins (Spender), Kisten mit losem Obst und Gemüse, große Kanister und Metallfässer mit Flüssig-Waren, Trockenprodukte in stattlichen Glasgefäßen, leere Mehrwegbehälter bevorzugt aus Stoff, Edelstahl oder Glas und vieles mehr. Die Kunden bringen entweder ein eigenes Gefäß mit oder kaufen eines im Laden. Die Betreiber oder die Kunden selbst wiegen den leeren Behälter und schreiben das Gewicht drauf. Danach kann der Kunde seine gewünschten Lebensmittel selbst abfüllen. Die vollen Gefäße werden an der Kasse dann noch mal gewogen und das Leergewicht wird abgezogen.

Unverpackt einkaufen in der Region – eine kleine Auswahl:

Fotos: Andreas Veigel, Helmut/stock.adobe.com
Fotos: Andreas Veigel, Helmut/stock.adobe.com

→ Seit August hängen bei Edeka Ueltzhöfer am Südbahnhof in Heilbronn an einer Wand 140 Schütten. In der Unverpackt-Abteilung gibt es Süßes, Getreide, Nudeln und mehr, die jeder Kunde in mitgebrachten Gefäßen mit nach Hause nehmen kann. Wahlweise gibt es vor Ort auch kompostierbare Papiertüten zum Abfüllen.

→ Das Reformhaus Maier in Heilbronn bietet an, Eigenprodukte auch in mitgebrachte Behältnisse zu verpacken. Als Dankeschön für den Verzicht auf Plastikverpackungen gibt es zehn Prozent Rabatt. Das Reformhaus führt zahlreiche Produkte wie Trinkhalme aus Glas oder aber Rasierhobel aus Holz, um Plastik im Alltag zu reduzieren.

→ Mit einer großen Auswahl an Einmachgläsern und Isolierflaschen bietet Seifen Reinhardt in Heilbronn Ost die idealen Grundlagen für einen plastikfreien Einkauf. Im Sortiment sind neben losen Naturprodukten wie Schafmilchseifen auch Trinkhalme aus Edelstahl oder Kaffeemühlen.

→ Bereits seit 22 Jahren können Kunden des Feinkostladens Vom Fass in Heilbronn Essige, Öle und Spirituosen in individuellen Mengen direkt vom Fass abfüllen. Zudem kommen nur recycelbares Papier, FSC-zertifizierte Kartons und wiederverwendbare Baumwolltaschen zum Einsatz.

→ Auf dem Wochenmarkt in Heilbronn bieten viele Stände an, die Waren auch in mitgebrachte Behältnisse zu füllen – egal ob Käse, Wurst oder Gemüse. Leere Honiggläser können gegen Pfand zurückgegeben werden. Ähnliches ermöglichen auch zahlreiche Hofläden im Landkreis, wo der Konsument direkt beim Produzenten einkaufen kann. Selbst der stationäre Handel hat bereits Wege gefunden, wie Lebensmittel ohne Folienpapier über die Theke gehen können. Fragen lohnt sich immer.