Altweibermühle ist die Keimzelle von Tripsdrill

Von unserem Redakteur Rolf Muth Wer oben auf die Rutsche sitzt, in fliegender Fahrt hinuntersaust, kommt dynamisch, frisch, rundum aufgehübscht und jung wieder heraus: Kosmetikindustrie, Schönheitschirurgen – alle könnten sie einpacken, wenn an der Legende der Altweibermühle Tripsdrill tatsächlich ein Körnchen Wahrheit wäre. So reduziert sich die erste Attraktion des Erlebnisparks auf die Gaudi einer flotten Fahrt und auf freche Sprüche, die sich manche Ehefrauen (aber auch Ehemänner) anhören müssen. Das ist heute so und war vor 69 Jahren, im Mai 1950, nicht anders, als die Mühle nach Blitzschlag, Brand und Wiederaufbau eingeweiht wurde.Trichter Die Mühlenflügel drehen sich in Tripsdrill freilich schon viel länger. 1929 griff Eugen Fischer den Traum ewiger Jugend auf, bastelte an seine Gastwirtschaft eine Rutsche aus Holz und nagelte an die Spitze vier große Windräder. Die Gegend beschallte er mit einem großen Trichter, forderte das Volk zum Tanz. Und das kam zahlreich, zu Fuß aus Bönnigheim, aus Cleebronn, mit dem Moped, seltener mit dem Auto, Wanderer und Ausflügler sogar von der Landeshauptstadt. Diese „Mühle“ ist sozusagen der Beginn einer außerordentlichen Firmengeschichte mit heute 100 Attraktionen samt Wildpark auf einer Fläche von knapp 100 Hektar.

ATTRAKTION - Rutsche im Erlebnispark ist bei Jung und Alt gefragt wie eh und je – Wiederaufbau im Mai 1950

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Die Altweibermühle wurde zum 90-jährigen Park-Jubiläum mit einer auffälligen roten Schleife versehen und als Geschenk verpackt.

Der Zweite Weltkrieg bildet auch hier eine Zäsur. Eugen Fischer kam aus Stalingrad nicht mehr zurück. Sein Sohn Kurt setzte die Arbeit mit seiner Mutter Karoline fort. Wer sich beim Rutschen auf der gewölbten hölzernen Pritsche einen Spreißel einfing, wurde von der Wirtin mit Spiegelei oder belegtem Brot entschädigt. Karoline Fischer stopfte ihren Gästen sogar Löcher, die beim Rutschen entstanden waren.


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Eine vergnügliche Fahrt auf der Rutsche gehört bei einem Tripsdrill-Besuch seit jeher selbstverständlich dazu.

Blitzeinschlag Tatkraft und Durchhaltevermögen zeichneten den Vater der heutigen Besitzer Roland und Helmut Fischer aus. Diese Eigenschaften waren 1946 auch bitter nötig, als ein Blitz in die Mühle einschlug, das Bauwerk niederbrannte. „Damals rückte die Feuerwehr nach Meimsheim aus“, weiß Roland Fischer. „Beim Kurt brennt’s“, hatte es geheißen. Verstanden habe die Wehr „Kurz“ und kurvte zum gleichnamigen Silobetrieb bei Brackenheim. Aufgeben oder weitermachen? Für den 21-jährigen Kurt Fischer gab es damals keinen Zweifel. Roland und Helmut Fischer erzählen, wie ihr Vater Schweine und Kühe aus dem landwirtschaftlichen Betrieb gegen Holz tauschte, Zimmersleut aus Bönnigheim die Mühle wieder aufbauten: noch schöner, noch höher und mit einer 65 Meter langen Rutschbahn noch anziehender.

Und davor wurde eine große Tanzfläche errichtet. Roland Fischer: „Viele spätere Pärchen haben sich hier beim Tanz kennengelernt.“ Bei der Einweihung jubelten nicht nur Hunderte Besucher, auch der Dichter August Lämmle aus Leonberg reimte humorig, wie die alte Trutschel gegerbt, gewalkt und geraspelt wird, um am Ende glatt und rosig wie ein knackiger Apfel von der Rutsche zu springen.

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